Gesundheitsfachfrau spricht mit einem Patienten

Die alltäglichen Vorteile und Herausforderungen des neuen Berufsbildes Advanced Practice Nurse (APN): Im Gespräch mit Regula Burri

Philipp Senn
Philipp Senn

Regula Burri hat sich von der dipl. Pflegefachfrau zur Advanced Practice Nurse (APN) ausbilden lassen. Sie erzählt uns, welche Vorteile diese Weiterbildung für sie selbst und das Gesundheitswesen hat und welche Rolle die Digitalisierung bei diesem neuen Berufsbild spielt und noch spielen wird.

Frau Burri, wieso haben Sie sich für die Weiterbildung zur Advanced Practice Nurse (APN) entschieden?

Ich war während über zehn Jahren als dipl. Pflegefachfrau in verschiedenen Fachgebieten tätig und hatte den Wunsch, mich beruflich weiterzuentwickeln. Mich interessierte besonders die Möglichkeit, als APN erweiterte klinische Kompetenzen zu erlernen und in der Grundversorgung tätig sein zu können. 

Regula Burri

Regula Burri

Pflegeexpertin APN – Medizinbereich für Rehabilitation und Sportmedizin

Wie hat sich Ihr Alltag verändert, seit Sie APN sind?

Zu Beginn war ich als APN auf der stationären Psychosomatik des Inselspitals in der klinischen Praxisentwicklung und dem Coaching des Pflegeteams tätig. Mir hat aber der direkte Patientenkontakt zunehmend gefehlt. Deshalb entschied ich mich für die aktuelle Anstellung im Bereich der Rehabilitation und Sportmedizin, wo ich Patientinnen im Rahmen der ambulanten Rehabilitation betreue. Mein Alltag hat sich im Vergleich zur Arbeit als dipl. Pflegefachfrau stark verändert: Einerseits ist die Verantwortung als APN bedeutend grösser, sei dies hinsichtlich der Praxisentwicklung oder wie jetzt in der Behandlung von Patienten. Andererseits bin ich als APN unabhängiger und selbstständiger. Durch die neue Rolle kann ich die Patientenversorgung besser mitgestalten und Veränderungen initiieren. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen ist auch sehr viel intensiver geworden. Dies bereichert aber auch mein Alltag und die gute Arbeitsstimmung im interprofessionellen Team bereitet mir sehr viel Freude.

Welche Aufgaben übernehmen Sie konkret in Ihrem Berufsalltag und inwieweit nutzen Sie dabei digitale Werkzeuge (z.B. Computer, Medical Devices etc.)?

Ich sehe Patienten in der ambulanten Sprechstunde für die Durchführung von Spiroergometrien (Belastungs-EKG), führe Beratungen durch, mache klinische Einschätzungen, bringe Therapievorschläge an und bespreche das weitere Vorgehen jeweils mit den zuständigen Oberärztinnen. Digitale Werkzeuge sind aus meinem Alltag nicht wegzudenken. Das Klinikinformationssystem ermöglicht einen raschen Austausch von Informationen mit Kollegen. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass ich mich mit Patientinnen über die Chatfunktion der MyInsel-App sicher und einfach austausche. Aktuell bauen wir ein digitales Herzmonitoring auf. Dabei erhalten wir von Patienten Daten wie Blutdruckwerte und Schritte pro Tag, welche sie zuhause messen – sofern MyInsel genutzt wird. Die Werte können manuell eingetragen werden oder werden direkt übertragen, falls eine Verbindung mit einer Smartwatch und digitalem Blutdruckgerät besteht. Wenn die Messungen gewisse Grenzwerte über- oder unterschreiten, erhalten wir eine Meldung und können entsprechend Massnahmen treffen.

Was für Voraussetzungen muss man mitbringen, um eine gute APN zu sein? Was würden Sie einer Person raten, die sich für dieses Berufsbild interessiert?

Allgemein erscheinen mir neben Fachwissen und kritischem Denken eine hohe soziale Kompetenz als wichtigste Voraussetzungen. Wenn eine Person grundsätzlich Freude an der Arbeit als Pflegefachperson hat und sich mehr Autonomie und Verantwortung wünscht, lohnt es sich, das Berufsbild der APN genauer anzuschauen. Es öffnen sich durch das Studium als APN eine Vielzahl neuer Türen, was es umso spannender macht.

Was ist der Vorteil an APN aus Ihrer Sicht? Wie empfinden Sie Ihren Einfluss in Bezug auf die Versorgungsqualität?

Die erweiterten klinischen Kompetenzen, das Verständnis für die Praxisentwicklung sowie Leadership Skills ermöglichen einer APN mehr Einfluss auf die Versorgungsqualität zu nehmen. Es ist wichtig, Versorgungslücken zu erkennen, diese zu analysieren und entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Und es braucht eine gewisse Kontinuität und Beharrlichkeit, um Veränderungsprozesse zu begleiten. Dies kann oftmals besser gewährleistet werden, wenn man als APN gut vernetzt ist und im Idealfall in einem kleinen Team mit anderen APN arbeiten kann.

Wo sehen sie aktuell noch grosses Entwicklungspotenzial?

Wir machen aktuell die Erfahrung, dass allein durch die Einführung von digitaler Kommunikation und grösseren technischen Möglichkeiten, die Versorgungsqualität nicht automatisch besser wird. Es ist wichtig, dass klare Leitlinien und Konzepte erstellt werden, um digital verfügbare Daten von heimbasierten Messungen sinnvoll für die Behandlung zu nutzen. Auch besteht ein sehr grosses Angebot an digital verfügbaren Informationen, die Patientinnen in der Rehabilitation und im Umgang mit ihrer Krankheit unterstützen sollen. Jedoch ist eine gezielte und schrittweise Abgabe dieser Informationen notwendig, um die Patienten nicht zu überfordern.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des APN-Berufsbildes in den nächsten fünf Jahren?

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) hat vor gut einem Jahr ein Positionspapier zur Entwicklung der APN-Rolle veröffentlicht. Darin werden verschiedene Themenfelder wie Kompetenzen, Bildung, Reglementierung und Finanzierung beschrieben. Mir erscheint insbesondere die angestrebte Harmonisierung der Studiengänge, das strukturierte Praxisjahr sowie die Einführung einer Berufsausübungsbewilligung ein grosser Gewinn für das Berufsbild. Dadurch wird die Anerkennung des Berufsbildes gestärkt und eine qualitativ hochstehende Patientenversorgung durch APN sichergestellt.

Welche Rolle wird die Digitalisierung bei der Entwicklung des APN-Berufsbildes spielen?

Die digitale Transformation im Schweizer Gesundheitswesen wird sich in den kommenden Jahren rasch entwickeln. Ich denke, dass ich als APN vor allem Patienten in der Nutzung von digitalen Gesundheitslösungen und im aktiven Management der eigenen Gesundheit durch neue Technologien unterstützen werde. Bei der Diagnosestellung und Behandlung von Krankheiten werden KI-gestützte Systeme zunehmend eine Rolle spielen. Im Rahmen der erweiterten Kompetenzen werden wir als APN auch davon profitieren, u.a. bei der Entscheidungsfindung, dem Krankheitsmanagement und beim Schreiben von Berichten.

Weitere Informationen

HIN Blog - APNs und PAs: Neue Berufsbilder versprechen Lösungen für den Fachkräftemangel – stellen aber neue Anforderungen an die Digitalisierung
Positionspapier SBK zur Entwicklung Advanced Practice Nursing (APN)
Philipp Senn
Autor: Philipp Senn - Leiter Kommunikation

Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Expertise
Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Kommunikationsspezialist habe ich in der IT, im Verbandswesen und in der öffentlichen Verwaltung Erfahrung gesammelt. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Redaktionelle Inhalte
Im HIN Blog informiere ich über aktuelle Entwicklungen bei HIN, stelle Persönlichkeiten und Meinungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen vor und berichte über E-Health und Datensicherheit. Ich führe Interviews mit Exponenten der Branche oder recherchiere Hintergrundinformationen – und gebe Ihnen so einen Einblick hinter die Kulissen.

Ganz persönlich
(Fremd-)Sprachen und Technik stehen bei mir auch privat hoch im Kurs, sei es bei Reisen in ferne und weniger ferne Gefilde oder kleinen Bastelprojekten in Haus und Garten. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie. Ich lache gern und bin für ein spannendes Gespräch unter Freunden, Kollegen oder Bekannten immer zu haben.

Weitere Artikel von Philipp Senn